Suche

LWahlG NRW  
Landeswahlgesetz NRW

Öffentliches RechtVerfassungsrecht

Staatsrecht I: Staatsorganisationsrecht

(1) Die Zuweisung der Sitze auf der Landesliste erfolgt durch den Landeswahlausschuss, dem die Kreiswahlleiter die Wahlergebnisse ihrer Wahlkreise mitteilen.
(2) Der Landeswahlausschuss zählt zunächst die für jede Landesliste abgegebenen Stimmen zusammen. Er stellt dann fest, welche Parteien weniger als 5 vom Hundert der Gesamtzahl der Zweitstimmen erhalten haben. Diese Parteien bleiben bei der Sitzverteilung unberücksichtigt. Nicht berücksichtigt werden ferner die Zweitstimmen derjenigen Wähler, die ihre Erststimme für einen im Wahlkreis erfolgreichen Bewerber, der von einer Partei, für die keine Landesliste zugelassen ist, vorgeschlagen wurde, oder für einen im Wahlkreis erfolgreichen Bewerber einer Wählergruppe oder für einen im Wahlkreis erfolgreichen Einzelbewerber abgegeben haben. Durch Abzug der Stimmen nach den Sätzen 2 bis 4 von der Gesamtzahl der Stimmen wird die bereinigte Gesamtzahl der Zweitstimmen ermittelt, die der Sitzverteilung zugrunde gelegt wird.
(3) Durch Abzug der Zahl der in den Wahlkreisen erfolgreichen Bewerber von Parteien, die gemäß Absatz 2 am Verhältnisausgleich nicht teilnehmen, sowie der Zahl der in den Wahlkreisen erfolgreichen Bewerber von Wählergruppen oder der in den Wahlkreisen erfolgreichen Einzelbewerber von der Sitzzahl gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 wird die Ausgangszahl für die Sitzverteilung ermittelt.
(4) Die am Verhältnisausgleich teilnehmenden Parteien erhalten nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung von der Ausgangszahl so viele Sitze zugeteilt, wie ihnen im Verhältnis der auf ihre Landesliste entfallenen Zahl der Zweitstimmen zur bereinigten Gesamtzahl der Zweitstimmen zustehen (erste Zuteilungszahl). Jede Partei erhält so viele Sitze, wie sich nach Teilung ihrer Zweitstimmen durch den Zuteilungsdivisor und anschließender Rundung ergeben. Der Zuteilungsdivisor ist so zu bestimmen, dass insgesamt so viele Sitze wie nach der Ausgangszahl auf die Landeslisten entfallen. Bei der Rundung sind Zahlenbruchteile unter 0,5 auf die darunter liegende Zahl abzurunden und Zahlenbruchteile ab 0,5 auf die darüber liegende Zahl aufzurunden. Kommt es bei Berücksichtigung von bis zu vier Stellen nach dem Komma zu Rundungsmöglichkeiten mit gleichen Zahlenbruchteilen, entscheidet das vom Landeswahlleiter zu ziehende Los, sofern nur ein Sitz zugeteilt werden kann. Zur Ermittlung des Zuteilungsdivisors ist die bereinigte Gesamtzahl der Zweitstimmen durch die Ausgangszahl zu teilen. Falls nach dem sich so ergebenden Divisor bei Rundung insgesamt weniger Sitze als nach der Ausgangszahl vergeben würden, ist der Divisor auf den nächstfolgenden Divisor, der bei Rundung die Ausgangszahl ergibt, herunterzusetzen; würden insgesamt mehr Sitze als nach der Ausgangszahl vergeben, ist der Divisor auf den nächstfolgenden Divisor, der bei Rundung die Ausgangszahl ergibt, heraufzusetzen.
(5) Haben Parteien mehr Sitze in den Wahlkreisen errungen, als ihnen nach Absatz 4 zustehen, wird die Ausgangszahl um so viele Sitze erhöht, wie notwendig sind, um auch unter Berücksichtigung der erzielten Mehrsitze eine Sitzverteilung nach dem Verhältnis der Zahl der Zweitstimmen gemäß dem Divisorverfahren mit Standardrundung nach Absatz 4 zu erreichen. Dazu wird die Zahl der in den Wahlkreisen errungenen Sitze der Partei, die das günstigste Verhältnis dieser Sitzzahl zur ersten Zuteilungszahl erreicht hat, mit der bereinigten Gesamtzahl der Zweitstimmen nach Absatz 2 multipliziert und durch die Zahl der Zweitstimmen dieser Partei dividiert. Die zweite Ausgangszahl für die Sitzverteilung ist mit einer Stelle hinter dem Komma zu berechnen und auf eine ganze Zahl nach Absatz 4 Satz 4 auf- oder abzurunden. Ist durch die erhöhte Ausgangszahl die Gesamtzahl der Sitze eine gerade Zahl, so wird diese Ausgangszahl um eins erhöht.
(6) Von der für jede Landesliste nach Absatz 4 oder 5 ermittelten Abgeordnetenzahl wird die Zahl der von der Partei in den Wahlkreisen des Landes errungenen Sitze abgezogen. Die restlichen ihr zustehenden Sitze werden aus der Landesliste in der dort festgelegten Reihenfolge besetzt. Bewerber, die in einem Wahlkreis gewählt sind, bleiben auf der Landesliste unberücksichtigt. Entfallen auf eine Landesliste mehr Sitze als Bewerber benannt sind, so bleiben diese Sitze unbesetzt.
(7) Der Landeswahlausschuss stellt fest, wie viele Sitze den Parteien zuzuteilen und welche Bewerber aus den Landeslisten gewählt sind.
(8) Der Landeswahlleiter benachrichtigt die aus den Landeslisten Gewählten über die Feststellung nach Absatz 7, dass sie gewählt sind.
Import:
LexMea

Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes / Gesetzgebungsverfahren (insb. Art. 70 ff. GG)

Öffentliches RechtVerfassungsrechtStaatsrecht I: Staatsorganisationsrecht

Prüfungsschema zur formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit eines Parlamentsgesetzes nach Art. 70 ff. GG, insb. zu den formellen Voraussetzungen des Zustandekommens (Zuständigkeit, Verfahren und Form).

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Formelle Verfassungsmäßigkeit 
  3. Zuständigkeit: Gesetzgebungskompetenz
  4. Grundsatz der Länderzuständigkeit (Art. 70 I, 30 GG)
  5. Ausnahme: Gesetzgebungskompetenz des Bundes
  6. Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz (Art. 71 GG)
  7. Bereiche
  8. Verfahren: Grundsatz der (absoluten) Sperrwirkung
  9. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz (Art. 72 GG)
  10. Bereiche
  11. Verfahren
  12. Grundsatz der (relativen) Sperrwirkung
  13. Sonderfall der Erforderlichkeitsklausel (Art. 72 II GG)
  14. Ausnahme der Abweichungskompetenz der Länder (Art. 72 III GG)
  15. Ungeschriebene Gesetzgebungskompetenz
  16. Bundeskompetenz kraft Natur der Sache 
  17. Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs
  18. Annexkompetenz des Bundes
  19. Verfahren: Gesetzgebungsverfahren
  20. Einleitungsverfahren: Gesetzesinitiative (Art. 76 GG)
  21. Einbringung durch die Bundesregierung (Art. 76 I Var. 1 GG)
  22. Einbringung durch den Bundesrat (Art. 76 I Var. 3 GG)
  23. Einbringung aus der Mitte des Bundestages (Art. 76 I Var. 2 GG)
  24. Hauptverfahren (Art. 77, 78 GG)
  25. Gesetzesberatung (Art. 42 I 1, 76 III 6 GG)
  26. Gesetzesbeschluss (Art. 77 I 1 GG)
  27. Ordnungsgemäße Beteiligung des BRates (Art. 77 II - IV, 78 GG)
  28. Einspruchsgesetz oder Zustimmungsgesetz
  29. Verfahren bei Einspruchsgesetz
  30. Verfahren bei Zustimmungsgesetz
  31. Form (Art. 82 I 1 GG)
  32. Materielle Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes
  33. Kein Verstoß gegen Grundrechte (Art. 1-19 GG) oder grundrechtsgleiche Rechte (Art. 20 IV, 33, 38, 101, 103 und 104 GG)
  34. Vereinbarkeit mit Staatsstrukturprinzipien des Art. 20 GG
  35. Rechtstaatsprinzip (Art. 20 III GG)
  36. Demokratieprinzip (Art. 20 II GG)
  37. Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I GG)
  38. Bei Landesnormen: Homogenitätsprinzip der Landesverfassungen (Art. 28 I GG)

 

 

Das nachfolgende Schema gilt ausschließlich für formelle Gesetze (also solche, die vom Parlament erlassen werden) und nicht für die Verfassungsmäßigkeit materieller Gesetze (Verordnungen und Satzungen).

Formelle Verfassungsmäßigkeit 

Zuständigkeit: Gesetzgebungskompetenz

Grundsatz der Länderzuständigkeit (Art. 70 I, 30 GG)

Grundsatz der Länderzuständigkeit, wenn die Gesetzgebungskompetenz nicht dem Bund zugewiesen ist (Art. 70 I, 30 GG).

 

Ausnahme: Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz (Art. 71 GG)
Bereiche

Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz... 

  • in den in Art. 73 I GG aufgezählten Bereichen sowie
  • in den andernorts im GG genannten Fällen. Sprachlich erkennt man dies daran, dass das GG etwa eine Regelung durch „Bundesgesetz“ oder durch „Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates“ vorsieht.
    z.B.: Art. 4 III 2 GG (Kriegsdienstverweigerung); 16a II 2 und III 1 GG(Asylrecht); 21 V GG (Parteien); 23 I 2, III 3, VII GG (Europäische Union); 24 I GG (zwischenstaatliche Einrichtungen); 38 III GG (Wahlrecht); 41 III GG (Wahlprüfung); 87 I 2 GG (Bundesbehörden); 94 II 1 GG (Bundesverfassungsgericht); 95 III 2 GG (Bundesgerichte); Art. 105 I GG (Zölle und Finanzmonopole)
Verfahren: Grundsatz der (absoluten) Sperrwirkung

Hier gilt das exklusive Gesetzgebungsrecht des Bundes und eine grundsätzliche absolute Sperrwirkung für die Landesgesetzgebung. Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung gem. Art. 71 GG, nur wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden.

 

 

Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz (Art. 72 GG)
Bereiche

Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz

  • in den in Art. 74 I GG aufgezählten Bereichen
  • in den andernorts im GG genannten Fällen, in denen die konkurrierende Gesetzgebung angeordnet wird.
    z.B. begrifflich eindeutig in Art. 105 II 1 u. 2 i.V.m. Art. 106 GG (Steuern), nach h.M. auch in den etwas weniger klaren Formulierungen der Art. 84 I 2 GG (Landeseigenverwaltung) und 85 I 1 GG (Landesverwaltung im Bundesauftrag).

 

Verfahren

Grundsatz der (relativen) Sperrwirkung

Gem. Art. 72 I GG entfaltet die Bundesgesetzgebung hier eine relative Sperrwirkung für die Landesgesetzgebung, solange und soweit der Bund tätig wird:

  • 'Solange'
    Zeitliche Sperrwirkung: ab Verkündung eines Gesetzes.

  • 'Soweit'
    Sachliche Sperrwirkung: nur soweit die Materie geregelt wurde oder durch absichtsvollen Regelungsverzicht abschließend nicht geregelt wurde.

 

Sonderfall der Erforderlichkeitsklausel (Art. 72 II GG)

In den in Art. 72 II GG aufgezählten Bereichen (Art. 74 I Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 GG) darf der Bundesgesetzgeber nur tätig werden, wenn dies aus einem der dort genannten drei Gründe erforderlich ist (sog. konkurrierende Bedarfskompetenz):

 

  • Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse (Art. 72 II Var. 1 GG)

Erforderlichkeit zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse = Wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt haben oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet.

 

  • Wahrung der Rechtseinheit (Art. 72 II Var. 2 GG)

Erforderlichkeit zur Wahrung der Rechtseinheit = Wenn eine nicht hinnehmbare Rechtszersplitterung droht. 

Dies ist i.d.R. dann der Fall, wenn durch unterschiedliche Behandlung desselben Sachverhalts in unterschiedlichen Ländern erhebliche Rechtsunsicherheiten und damit drohende unzumutbare Behinderungen für den länderübergreifenden Rechtsverkehr bestehen.

 

  • Wahrung der Wirtschaftseinheit (Art. 72 II Var. 3 GG)

Erforderlichkeit zur Wahrung der Wirtschaftseinheit = Wenn Landesregelungen oder die Untätigkeit der Länder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich bringen.

 

Ausnahme der Abweichungskompetenz der Länder (Art. 72 III GG)

  • Abweichung durch Länder und lex posterior Grundsatz
    In den in Art. 72 III GG aufgezählten Bereichen können die Länder von den Regelungen des Bundes durch eigene Regelungen abweichen.
    Nach h.M. darf nur durch formelles Gesetz, aber auch durch gänzlich inhaltsgleiche Regelungen, durch nur teilweise Regelungen und auch durch reinen Nichtanwendungsbefehl der Bundesregelungen abgewichen werden.
  • Rückholrecht des Bundes
    Nach Regelung durch die Länder kann der Bund die Gesetzgebungskompetenz erneut an sich ziehen (auch "Rückholrecht" oder "Ping-Pong-Gesetzgebung").

  • Lex posterior Grundsatz (Art. 72 III 3 GG)
    Auf dem Gebiet der Abweichungskompetenzen geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht, entgegen Art. 31 GG, das spätere Gesetz vor.

  • Inkrafttreten von Bundesgesetzen (Art. 72 III 2 GG)
    Bundesregelungen treten in den Bereichen des Art. 72 III GG frühestens 6 Monate nach Verkündung in Kraft, sofern nicht mit Zustimmung des BRats etwas anderes bestimmt wird.

 

 

Ungeschriebene Gesetzgebungskompetenz
Bundeskompetenz kraft Natur der Sache 

Das Sachgebiet kann wegen seiner Eigenart nur durch den Bund geregelt werden.
Beispiele: Nationalhymne, Bundesflagge, Sitz der Bundesregierung
Es handelt sich dabei stets um eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes.

Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Bei Regelung einer dem Bund im Grundgesetz ausdrücklich zugewiesen Materie ist es unerlässlich, dass gleichzeitig auch eine andere, im Sachzusammenhang stehende Materie mitgeregelt wird (sog. Verbreiterung in andere Materie).

Beispiel: Gebühren für gerichtliche Beurkundungen (Sachzusammenhang zu gerichtlichen Verfahren in Art. 74 I Nr. 1 GG)
Je nachdem, ob die ausdrücklich zugewiesene Materie eine ausschließliche oder konkurrierende Kompetenz ist, handelt es sich auch um eine ausschließliche oder konkurrierende Kompetenz kraft Sachzusammenhangs.

Annexkompetenz des Bundes

In Bezug auf eine dem Bund im Grundgesetz ausdrücklich zugewiesene Materie ist es notwendig (a.A.: unerlässlich), dass der Bund auch für die Vorbereitung oder Durchführung verantwortlich ist (sog. Vertiefung in die Ausführung).

Beispiel: Regelungen zur Abwehr von terroristischen Gefahren aus der Luft als Annex zur Materie Luftverkehr aus Art. 73 I Nr. 6 GG 

 

 

Verfahren: Gesetzgebungsverfahren

Einleitungsverfahren: Gesetzesinitiative (Art. 76 GG)

Einbringung durch die Bundesregierung (Art. 76 I Var. 1 GG)
  • Häufigkeit
    In der 19. Wahlperiode ca. 56% der eingebrachten und ca. 81% der verabschiedeten Gesetzentwürfe.

  • Zuleitung an den Bundesrat (Art. 76 II GG)
    • Grundsatz (Art. 76 II 1 GG): Gesetzesvorlagen der Bundesregierung sind vor ihrer Zuleitung an den Bundestag durch die Bundesregierung dem Bundesrat zuzuleiten, der grds. sechs Wochen Zeit zur Stellungnahme hat. 
    • Eilbedürftigkeit (Art. 76 II 3 GG): Bezeichnet die Bundesregierung eine Vorlage ausnahmsweise als besonders eilbedürftig, so kann sie diese bereits nach drei Wochen dem Bundestag zuleiten, auch wenn die Stellungnahme des Bundesrates noch nicht bei ihr eingegangen ist.
    • Fristverlängerung (Art. 76 II 2 GG): Verlangt der Bundesrat aus wichtigem Grund eine Fristverlängerung, beträgt die Stellungnahmefrist neun Wochen.

 

Einbringung durch den Bundesrat (Art. 76 I Var. 3 GG)
  • Häufigkeit
    In der 19. Wahlperiode ca. 8% der eingebrachten und ca. 1% der verabschiedeten Gesetzesentwürfe.

  • Zuleitung an die Bundesregierung (Art. 76 III GG)

    • Grundsatz (Art. 76 III 1)
      Der Bundesrat hat seine Vorlage zunächst der Bundesregierung zuzuleiten. Diese hat sodann grds. sechs Wochen Zeit zur Stellungnahme.

    • Eilbedürftigkeit
      Bezeichnet der Bundesrat eine Vorlage als besonders eilbedürftig, so beträgt die Frist grds. drei Wochen (Art. 76 III 4 GG). Die Bundesregierung kann der Vorlage eine Stellungnahme beifügen, muss dies jedoch nicht (Art. 76 III 2 GG: „soll“). Die Bundesregierung hat die Vorlage des Bundesrates sodann dem Bundestag zuzuleiten, wobei ihr keinerlei verfassungsrechtliche oder politische Prüfungs- oder Kontrollrechte zukommen (Art. 76 III 1 GG: „sind ... zuzuleiten“).

  • Direkte Einbringung beim Bundestag

    • Nach h.M. kann der Bundesrat seine Vorlage somit - im Unterschied zur Bundesregierung - nicht selbst beim Bundestag einbringen. Einer Weigerung der Zuleitung seitens der Bundesregierung muss er mit einem Organstreitverfahren vor dem BVerfG begegnen.
    • Eine a.A. will dem Bundesrat in diesen Fällen - insb. unter Verweis auf die lange Verfahrensdauer eines etwaigen Organstreitverfahrens - die (subsidiäre) Kompetenz zukommen lassen, seine Gesetzesvorlage unmittelbar selbst dem Bundestag zuzuleiten.

 

Einbringung aus der Mitte des Bundestages (Art. 76 I Var. 2 GG)
  • Häufigkeit
    In der 19. Wahlperiode ca. 36% der eingebrachten und ca. 18% der verabschiedeten Gesetzesentwürfe.

  • Voraussetzungen
    • § 76 I iVm. § 75 I lit. a) GOBT verlangt für Gesetzesvorlagen die Unterzeichnung durch eine Fraktion (§ 10 GOBT) oder 5% der Mitglieder des Bundestages
    • Str. ob § 76 I GOBT eine zulässige Konkretisierung der Verfassung darstellt oder gegen höherrangiges Verfassungsrecht verstößt.

Wie viele Abgeordnete sind für eine Gesetzesinitiative aus der „Mitte des Bundestages“ erforderlich?

  • e.A.: Fraktion oder mindestens 5% der Abgeordneten (§ 76 I GOBT)
    • (pro) Wortlaut/Systematik:
      • Art. 76 I GG lässt Mindestquorum offen, § 76 I GOBT stellt zulässige Konkretisierung dar;
      • Geschäftsordnungsautonomie des Bundestags;
      • Gleichlauf zu Anforderung an Fraktionsstärke (§ 10 GOBT), zur Feststellung der Beschlussunfähigkeit (§ 45 II GOBT) und zur wahlrechtlichen 5%-Klausel (§ 6 VI 1 Alt. 1 BWahlG).
    • (pro) Telos: Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments; Schutz vor Überlastung durch aussichtslose Gesetzesentwürfe.

      Beachte, dass ein Verstoß gegen Art. 76 I GG auch nach dieser Ansicht in aller Regel durch die anschließende Verabschiedung mit mindestens der relativen Mehrheit der Mitglieder des Bundestages eine Heilung des Formfehlers darstellen dürfte.

 

  • a.A.: Auch einzelne Abgeordnete
    • (pro) Wortlaut/Systematik:
      • Art. 76 I GG stellt abschließende Regelung dar, die Initiativrecht lediglich auf Mitglieder des Bundestags beschränkt;
      • Geltungsvorrang der Verfassung.
    • (pro) Telos:

      • Ermöglichung der freien Mandatsarbeit auch einzelner Abgeordneter;

      • zahlreiche Landesparlamente sehen Initiativrecht einzelner Abgeordneter vor, ohne arbeitsunfähig zu werden (s. z.B. Bayern, Brandenburg, Saarland sowie Schleswig-Holstein).

  • Folgen bei Missachtung von § 76 I GOBT nach Gesetzesbeschluss:
    • bei Zustimmung durch mindestens 2/3 der abgegebenen Stimmen zum Gesetzesentwurf liegt konkludente Billigung der Abweichung von § 76 I GOBT nach § 126 GOBT und somit kein Verstoß vor;
    • bei Zustimmung durch weniger als 2/3 der abgegebenen Stimmen (aber mehr als 5% der Mitglieder) liegt nachträgliche Heilung des Formmangels vor; bei Zustimmung lässt sich § 76 I GOBT zudem teleologisch reduzieren, da die Gefahr einer Belastung mit einem aussichtslosen Entwurf ex post nicht bestand.
    • Beachte, dass ein Verstoß gegen § 76 I GOBT aus Sicht des BVerfG nicht automatisch einen Verfassungsverstoß darstellt.

 

 

Hauptverfahren (Art. 77, 78 GG)

Gesetzesberatung (Art. 42 I 1, 76 III 6 GG)
  • Das Verfahren der Gesetzesberatung ist in Art. 77 GG nicht explizit geregelt. Aus einem Zusammenspiel unterschiedlicher verfassungsrechtlicher Normen wird jedoch eine Beratungspflicht im Plenum abgeleitet:
    • Demokratiegebot (Art. 20 I - III GG)
    • Repräsentationsprinzip (Art. 38 I 2 GG)
    • Öffentlichkeitsgrundsatz (Art. 42 I 1 GG: „verhandelt“ wird verstanden als Rede und Gegenrede)
    • Für Vorlagen des Bundesrates: „zu beraten“ (Art. 76 III 6 GG)
    • Selbst für Vorlagen während des Verteidigungsfalls: „beraten“ (Art. 115d II 2 GG; Erst-Recht-Schluss)
  • Daraus ergibt sich nach h.M. jedoch kein verfassungsrechtliches Erfordernis mehrerer Lesungen inkl. Beratung in den Ausschüssen (anders hingegen die einfachgesetzlichen §§ 78-86 GOBT, die grds. drei Lesungen vorsehen).

§§ 78-86 GOBT sehen grds. drei Lesungen vor. Da hierdurch keine Abgeordnetenrechte oder sonstige grundgesetzliche Gewährleistungen eingeschränkt werden, sind die Normen auch nicht verfassungswidrig.

Die Anzahl der drei Lesungen ist jedoch nicht verfassungsrechtlich geboten, sodass ein Verstoß gegen §§ 78-86 GOBT aus Sicht des BVerfG auch nicht die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zur Folge hat.

 

Gesetzesbeschluss (Art. 77 I 1 GG)

Die Bundesgesetze werden gem. Art. 77 I 1 GG vom Bundestag beschlossen. 

  • Beschlussfähigkeit
    • Keine ausdrückliche Reglung im GG; Prinzip der repräsentativen Demokratie erfordert aber Mitwirkungsmöglichkeit der Abgeordneten.
    • § 45 I GOBT verlangt für Beschlussfähigkeit die Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder
    • Beschlussfähigkeit wird gem. § 45 II GOBT vermutet, sofern nicht Beschlussunfähigkeit festgestellt wird; Vermutungsregel ist nach h.M. mit dem Prinzip der repräsentativen Demokratie vereinbar und durch die Geschäftsordnungsautonomie des BT (Art. 40 I 2 GG) gedeckt; teilweise wird Beschlussunfähigkeit angenommen, wenn weniger als 5% der Abgeordneten anwesend sind, da dann Abgeordnete die Feststellung nicht mehr nach § 45 II GOBT beantragen können

 

  • Beschlussfassung (Art. 77 I 1 GG):
    • Grundsatz der einfachen Abstimmungsmehrheit (Art. 42 II 1 GG)
      Zu einem Beschlusse des Bundestages ist grds. die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (relative Mehrheit) erforderlich; Enthaltungen zählen nach h.M. insofern nicht als „abgegebene Stimmen", da diese keinen Einfluss auf das Ergebnis nehmen sollen.
    • Sonderfälle

      • Verfassungsändernde Gesetze (Art. 79 II GG)
        Erforderlich ist die Zustimmung von 2/3 der Bundestagsmitglieder; Quorum bezieht sich nach h.M. analog Art. 121 GG auf die gesetzliche Mitgliederzahl gem. § 1 I BWahlG und nicht auf die tatsächliche Anzahl.
      • Gesetzgebungsnotstand (Art. 81 GG)
        Der Bundeskanzler kann nach verlorener Vertrauensfrage (Art. 68 GG) und Fortführung als Minderheitsregierung für Gesetzesvorlagen den Gesetzgebungsnotstand erklären. Im Falle des Gesetzgebungsnotstands können Gesetze auch ohne den Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats erlassen werden.
      • Finanzwirksame Gesetze (Art. 113 GG)
        Gesetze, die Ausgaben des Haushaltsplans erhöhen oder Einnahmen mindern, erfordern Zustimmung der Bundesregierung; Zustimmung wird gem. Art. 113 III GG fingiert, sofern sie nicht innerhalb von 6 Wochen verweigert wird.

 

Ordnungsgemäße Beteiligung des BRates (Art. 77 II - IV, 78 GG)
Einspruchsgesetz oder Zustimmungsgesetz

Die erforderliche Beteiligung des Bundesrates richtet sich danach, ob es sich um ein Einspruchs- oder ein Zustimmungsgesetz handelt.

  • Grundsatz des Einspruchsgesetzes
    • Bundesgesetze sind grundsätzlich Einspruchsgesetze,...
    • sofern das GG nicht explizit die Zustimmung des Bundesrats vorschreibt (sog. Enumerationsprinzip). Der Wortlaut enthält sodann stets eine Variante der Formulierung „mit Zustimmung des Bundesrates",
      siehe beispielsweise (nicht abschließend) Art. 73 II, Art. 74 II, Art. 79 II, Art. 23 I 2, Art. 23 VII, Art. 72 III 2, Art. 104a IV, Art. 105 III GG.
  • Einheitsthese bei teilweise zustimmungsbedürftigen Gesetzen
    Wenn nur ein Teil des Gesetzes zustimmungspflichtig ist, gilt nach h.M. das ganze Gesetz als zustimmungspflichtig.

 

Verfahren bei Einspruchsgesetz
  • Gesetz kommt zu Stande, wenn BRat nicht innerhalb von 3 Wochen Vermittlungsausschuss anruft (Art. 78 Var. 2 GG).
  • Sofern BRat Vermittlungsausschuss anruft, kann dieser Änderungen vorschlagen, über die der BTag erneut zu beschließen hat (Art. 77 II 5 GG) oder von Änderungsvorschlägen absehen; in beiden Fällen entscheidet der BRat anschließend über Einlegung des Einspruchs (Art. 77 III GG); Gesetz kommt zu Stande, wenn der BRat keinen Einspruch einlegt (Art. 78 Var. 3 GG).
  • Sofern der BRat Einspruch einlegt, kommt das Gesetz zu Stande, wenn BTag diesen anschließend zurückweist (Art. 78 Var. 5 GG).

 

Verfahren bei Zustimmungsgesetz
  • Gesetz kommt zu Stande wenn BRat zustimmt (Art. 78 Var. 1 GG).
  • Sofern BRat nicht zustimmt, können BRat (Art. 77 II 1 GG), Bundestag (Art. 77 II 4 Alt. 1 GG) oder BReg (Art. 77 II 4 Alt. 2 GG) die Einberufung des Vermittlungsausschusses beantragen; Vermittlungsausschuss kann Änderungen vorschlagen, über die der BTag erneut zu beschließen hat (Art. 77 II 5 GG) oder von Änderungsvorschlägen absehen; in beiden Fällen entscheidet BRat erneut über Vorlage; Gesetz kommt zu Stande, wenn BRat zustimmt (Art. 78 Var. 1 GG).

 

Form (Art. 82 I 1 GG)

  • Gegenzeichnung durch Bundesregierung (s. Art. 58 GG, § 29 GOBT)
  • Ausfertigung durch Bundespräsidenten 
  • Verkündung im Bundesgesetzblatt

 

 

Materielle Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes

Im Rahmen der materiellen Verfassungsmäßigkeit kommen grds. sämtliche materiellrechtlichen Normen der Verfassung, einschließlich Verfassungsgewohnheitsrecht als Prüfungsmaßstab in Betracht.

Bei verfassungsändernden Gesetzen gilt der eingeschränkte Prüfungsmaßstab des Art. 79 III GG.

Besonders hohe Klausurrelevanz haben nachfolgende Fallgruppen:

Kein Verstoß gegen Grundrechte (Art. 1-19 GG) oder grundrechtsgleiche Rechte (Art. 20 IV, 33, 38, 101, 103 und 104 GG)

Siehe hierzu ausführlich das Prüfungsschema des jeweiligen Grundrechts.

 

Vereinbarkeit mit Staatsstrukturprinzipien des Art. 20 GG

Rechtstaatsprinzip (Art. 20 III GG)

  • Bestimmtheitsgebot
  • Gewaltenteilungsgrundsatz
  • Rückwirkungsverbot
  • Justizgewähranspruch (Art. 19 IV GG)
  • Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Demokratieprinzip (Art. 20 II GG)

  • Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz
  • Repräsentative Demokratie
  • Volkssouveränität

Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I GG)

 

Bei Landesnormen: Homogenitätsprinzip der Landesverfassungen (Art. 28 I GG)

 

Zuletzt bearbeitet: